Ein Service der

Zwanzig Jahre Wirtschaftsdienst

Seit zwei Jahrzehnten „im Dienste des Außenhandels“

21. Jahrgang, 1936, Heft 42

von Dr. John Brech

Das vorliegende Heft wird aus Anlaß des 20jährigen Bestehens dieser Zeitschrift veröffentlicht. Es erscheint zu einer Zeit, die in manchen Vorgängen kaum weniger kriegerische Züge trägt als das Jahr 1916. Am 6. August jenes dritten Kriegsjahres wurde das erste Heft des „Wirtschaftsdienst“ einem kleinen Kreise von Interessenten als „nicht zur Veröffentlichung bestimmt“ zugestellt. Dreizehn Hefte sind in dieser Form vertraulicher kriegswirtschaftlicher Mitteilungen über das Ausland erschienen. Mit dem Heft 14. des 1. Jahrganges wurde der Vorbehalt der Vertraulichkeit aufgehoben und die Weiterverbreitung mit Quellenangabe gestattet. Der 14. November 1916 ist das Datum des ersten öffentlichen Auftretens der Zeitschrift. Mit dem 1. Januar 1917 begann der 2. Jahrgang. So erklärt es sich, daß der jetzt laufende Jahrgang bereits als XXI. Folge der Veröffentlichung des „Wirtschaftsdienstes“ gezählt wird.

John Brech (1902-1987) war Schriftleiter des Wirtschaftsdienst von 1933 bis 1939.

Bild: JOHN BRECH 1962, Wirtschaftsfunk © WDR

Wir wollen die 20jährige Wiederkehr dieser Daten benutzen, unseren Lesern in diesem Sonderheft „20 Jahre im Dienste des Außenhandels“ einen Querschnitt durch die der Zeitschrift eigenen Arbeitsgebiete zu geben. In der Tat erwies sich das Streben um die Erhaltung der zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen des Deutschen Reiches und die Förderung aller damit zusammenhängenden Tätigkeitsgebiete seit Bestehen der Zeitschrift als das zentrale Gebiet ihres Wirkens. Eine solche Aufgabe hieß im Deutschen Reiche von 1916 Neuland bearbeiten. Es gab wohl Fachzeitschriften, publizistische Organe der großen Wirtschaftsverbände und Inseratenblätter der an der Ausfuhr interessierten Geschäftszweige. Auch gab es politische Wochenschriften, die neben den politischen Angelegenheiten auch wirtschaftliche Probleme behandelten. Ein wirtschaftspolitisches Organ in engerem Sinne, das sich wesentlich der Darstellung und Kritik wirtschaftlicher Tatbestände widmen wollte, fand in Deutschland kein Vorbild. Der spezifische Aufgabenkreis einer Zeitschrift des damaligen Kolonialinstituts in Hamburg ließ daher von vornherein den Blick nach dem Ausland richten, das vor allem in England und den Vereinigten Staaten Zeitschriften ähnlichen Charakters kannte. Die enge Verbundenheit der hanseatischen Wirtschaftskreise mit London erklärt die ausgesprochene Vorliebe für die Traditionen des „Economist“, der anfangs in vielem dem „Wirtschaftsdienst“ den Maßstab für die Lösung seiner publizistischen Aufgaben gab. Sein schneller Ausbau bestätigte den offensichtlichen Bedarf für eine solche Zeitschrift in Deutschland. Die Übernahme und Abwandlung der im „Wirtschaftsdienst“ entwickelten inhaltlichen Gliederung durch die später ins Leben gerufenen deutschen Wochenschriften verwandter Aufgabenstellung zeigt, daß auch auf diesem Gebiet hanseatische Wirtschaftskreise in gewissem Sinne als Pioniere gearbeitet haben.

Daß eine Zeitschrift vom Charakter des „Wirtschaftsdienst“ in Hamburg erscheint, ist gewiß kein Zufall; denn Hamburgs wirtschaftliche Aufgaben sind immer wesentlich von der See aus und von den Wandlungen des Außenhandels her mit bestimmt worden. Daher unterscheidet sich der wirtschaftliche Aufbau dieser Stadt bis auf den heutigen Tag grundlegend von allen übrigen Großstädten Deutschlands. Diese besondere Lage Hamburgs als Platz des Welthandels und der Seeschiffahrt gibt der Stadt dennoch keine Bedeutung an sich, sondern nur in der Bezogenheit ihrer Aufgaben auf die Wirtschaft des Reiches. Das ist in früheren Jahrhunderten nicht immer so klar zum Ausdruck gekommen wie im Deutschland unter der nationalsozialistischen Führung. Hamburg ist der Welt zugekehrt, da das Reich dieser Verbindungen bedarf und sie im Rahmen seiner nationalen Interessen fördert. Die Aufgaben Hamburgs entsprechen daher einer für das Bestehen des Reiches notwendigen Funktion. Aus der Blickrichtung des hanseatischen Strebens nach wirtschaftlicher Leistung wächst zugleich der Wille zu stetiger Vervollkommnung der Auslandskenntnisse. „Weltwirtschaft" heißt daher in Hamburg soviel wie die Verpflichtung zum Auslandsdienst für das Reich.

Die vom Führer gestellten großen Aufgaben verlangen im Interesse der nationalen Wirtschaft eine stetige und folgerichtige Beobachtung aller Wandlungen und Vorgänge in den Auslandswirtschaften. Die tiefgreifenden Verlagerungen im Güteraustausch beeinflussen nicht nur den deutschen Außenhandel, sondern ebensosehr die Beziehungen der übrigen großen Mächte zu ihren Partnern. Entsprechend den Veränderungen im Warenverkehr wird die Weltwirtschaft durch nicht weniger umgestaltende Wandlungen in den Kapitalbeziehungen betroffen. Die schon während des Krieges vorausgesagte Revolution der Wirtschaftsauffassungen ist in vollem Umfang eingetreten. Lange genug haben die Staaten in ihrer Wirtschaftspolitik geschwankt zwischen der Behauptung des Alten und dem Übergang zum Neuen. Der Mangel an mutiger Folgerichtigkeit läßt auch heute noch das zukünftige Bild einer Wirtschaftsordnung verschwimmen, die mehr umfaßt als die nationalstaatlichen Grenzen.

Die Welt steht auch heute noch mitten drin im Kampf der Weltanschauungen, im Ringen um die Grundlagen eines neuen gesellschaftlichen Zusammenlebens zwischen den Völkern. Die täuschende Überzeugung vom Wirken des Fortschritts in der Geschichte trieb immer wieder zu Versuchen, dem Menschen die materiellen Güter der Erde in besserer Weise als bisher dienstbar zu machen. 20 Jahre, die hinter uns liegen, haben überall Hoffnungen zerstört. Obgleich der Weltkrieg auf vielen Gebieten die das XIX. Jahrhundert beherrschenden Ideen hat überwinden helfen, künden die großen politischen Ereignisse bis in den Tag hinein, daß die Welt noch im Übergang steht, vor dem Vollzug der durch den Krieg heraufbeschworenen Entscheidungen. Ein Wort des großen deutschen Historikers Leopold v. Ranke, niedergeschrieben in der hellseherisch klaren Schrift: „Die großen Mächte“ vom Jahre 1833, hat sich hundert Jahre später im deutschen Geschehen bewahrheitet: „Aus dem Zusammentreffen entgegengesetzter Kräfte in den großen Momenten der Gefahr – Unglück, Erhebung, Rettung – gehen die großen Entwickelungen am entschiedensten hervor.“ So wirkt dieses Wort außerhalb unseres Landes im täglichen Geschehen auch der Ereignisse, denen das Werk unserer Arbeit nun für einen weiteren Zeitraum zugekehrt sein wird.

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