Ein Service der

Gesamteuropäische Kolonialpolitik

7. Jahrgang, 1922, Heft 38

Ein Plädoyer für die „gute Wirtschaft“ in Afrika

Von Prof. Dr. Albrecht Mendelssohn-Bartholdy

Aus der den ersten Weltwirtschaftskongreß zu Hamburg einleitenden Rede von Professor Mendelssohn-Bartholdy über das internationale Recht bringen wir hier den Schlußteil, der über die europäische Kolonialpolitik in Afrika handelt, dem Wortlaute nach zum Abdruck. Die Schriftleitung.

 

Albrecht Mendelssohn-Bartholdy (1874-1936), war von 1920 an ordentlicher Professor für Zivilrecht, ausländisches und internationales Privat- und Prozessrecht in Hamburg. 1923 gründete er das „Institut für Auswärtige Politik“. Die Reichsregierung delegierte ihn wenig später zu den Versailler Friedensverhandlungen. Mendelssohn-Bartholdy war Spezialist für das anglo-amerikanische Recht und hat zahlreiche Beziehungen ins Ausland gepflegt. 1925 wurde er Richter am Internationalen Schiedsgericht in Den Haag, 1931 Delegierter im Völkerbund. 1933 wurde Mendelssohn-Bartholdy zwangsemeritiert und emigrierte im Folgejahr nach Oxford, wo er Research Fellow am Balliol College wurde.

Quelle und Foto: Universität Hamburg, Albrecht Mendelssohn Bartholdy Graduate School of Law

Vor der Tür Europas steht eine Arbeit der Gemeinschaft, auf die es nicht zu warten braucht. Sie klopft an, und wenn wir sie nicht hören, so ist es die Kriegstaubheit, die noch vorherrscht. Es ist die Arbeit gesamteuropäischer Kolonialpolitik. Sie ist heute kleiner in ihrem Umfange, als sie vor dem Krieg für einen Teil Europas war. Um so viel hat uns der Krieg geringer gemacht hier in der alten Welt. Die Monroedoktrin, die die europäischen Kolonien in Amerika auf dem Festlande verbot – und wir hätten in den Zeiten unserer Ruhmredigkeit besser getan, uns öfter zu erinnern, daß diese Doktrin von den amerikanischen Präsidenten verkündigt worden ist als eine hygienische Maßnahme gegen die Unsittlichkeit der europäischen Politik – die Monroedoktrin, die auch die wenigen alten Europakolonien in Amerika absterben läßt, ist heute von Asien, von Australien als oberstes Staatsgesetz aufgenommen worden, und selbst in Afrika sind Norden und Süden der europäischen Kolonialpolitik für immer entzogen. Der Norden ist in die Mittelmeerpolitik eingereiht, nach mohammedanischer Autonomie strebend, der Süden vereinigt in der Union unter der Herrschaft des Kaps, dem das Jahr 1941 gebracht hat, was es seit 1884 unbeirrbar verlangte: Südwest – das sich morgen Rhodesien angliedern wird und das schon den Grenzstreit mit seinem portugiesischen Nachbarn im Nordosten sucht.

Mittelafrika allein ist geblieben, das Mündel europäischer Wirtschaft, an dem sie zeigen mag, ob sie noch mit der Zukunft umzugehen weiß. Es ist ein Land, dessen Naturkräfte heute noch unschätzbar sind, ein Land des Zaubers und der Wildnis und noch zugleich ein großes Behältnis der nüchternsten Dinge für den Tagesbedarf der Landwirtschaft, der Industrie, der Technik; ein Land mit wenig über 70 Mill. schwarzer Eingeborener, ein paar Hunderttausend Asiaten und einer Handvoll Europäer. Und das schwarze Volk schläft noch den Kinderschlaf, aber es reibt sich die Augen und wird aus der Zucht erwachsen. Mittelafrika bedeutet für die europäischen Staatskanzleien ein ernstes Zeugnis ihrer Unfähigkeit, denn hier an diesem hilflosen Stück Welt hätte sich Weltpolitik zeigen müssen: eine Politik, die, da sie den Raum überspannen will, dartun muß, daß sie auch Herrin über die Zeit ist, daß sie sich abwendet von jedem Augenblickserfolg, daß sie sich freimacht in dieser Höhenluft einer großen Aufgabe von den kleinen Stubenmitteln der Diplomatie, daß sie sich verläßt auf die Kräfte der guten Wirtschaft – der Wirtschaft, die nicht Ausbeutung ist, sondern Pflege, die nicht ruhiger Besitz ist, sondern tätige Arbeit, die nicht Rüstung ist für den Krieg, sondern Befestigung des Friedens. Und wir haben alle versagt, wir wollen uns nicht ausschließen.

 

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